
Stehet auf, von den Schulbänken, das Smartphone nieder – raus in die lebendige Welt – ins wahre Leben
Am 14. und 15.08. sollte die Goethewoche dieses Jahr ganz besonders eingeläutet werden: Der Grundkurs de1 der 12. Klasse sowie ehemalige Schüler des letzten Grundkurses de1 , Mitglieder des Leipziger Goethe-Vereins, Herr Kraus und Herr Richter sowie Frau Richter wollten von Leipzig nach Bad Lauchstädt wandern. Leider muss diese Wanderung aber aufgrund der steigenden Temperaturen von teilweise mehr als 35 Grad verschoben werden.
Zur Leitidee:
Als Goethe am 3. September 1786 – in einer tiefen Krise – überarbeitet und in der Einsicht, dass er lange nichts Neues geschrieben und verarbeitet hatte, zu seiner berühmten Italienreise aufbrach, so begann dies als Flucht und vollendete sich am Ende zu einer großen Befreiung. So verdanken wir dieser Reise wunderbare Texte, die erst in Rom und anderen italienischen Orten ihre Vollendung und wahre Kraft fanden.
In den Deutschstunden der Klasse 10 zur Tragödie Faust I wurde mir
endlich, als sich Faust auf der Bühne in der Inszenierung von Peter Stein in dem verstaubten Studierzimmer quält, beim Betrachten der jungen Menschen im Klassenraum, klar, dass diese Schülerinnen und Schüler doch etwas mit dem „Pflichtlehrpanstoff“ verbindet.
2025, KI – dominiert, an allen Ecken und Enden, der Homunculus wurde in geheimen Laboren schon entwickelt, was bleibt da vom Menschen und dem Menschsein? Was bleibt vom wirklichen Streben Fausts und dessen Neugier auf alle Geheimnisse des Lebens?
Und spätestens hier weiß ich: Wir müssen raus ins wahre Leben und selbst wenn das nur zwei Tage sein dürfen: eine kleine Reise – in die kleine Welt wird.
„Es stürzt der Fels und über ihn die Flut — Zwischen Hospental und Gotthard macht dem Wanderer Goethe auf der zweiten Wanderung (1779) ein großer Zug von Mauleseln, mit seinen Glocken die ganze Gegend lebendig.“
Wenn der junge Goethe noch zu Fuß durch die Alpen wandert, so wird die ältere Ausgabe von ihm in der Kutsche unterwegs sein. Goethes Verleger Göschen, der mit dem weniger vermögenden Schriftsteller und Wanderer J. G. Seume befreundet ist, trägt auch ein wenig dazu bei, dass sich Goethe endlich auf den Weg macht.
Seume übrigens, der bis nach Syrakus wanderte, konnte auch Kostengründen weniger die Kutsche in Anspruch nehmen, er stellte aber immer klar, dass man beim Wandern den Menschen ins Angesicht schauen könne und das Leben unverfälscht spüre.
Also zu Fuß. Ohne Smartphone und Earpods. Zeit für Gespräche, Zeit zum Träumen und
Nachdenken. Vergessen für zwei Tage, Klausuren und Termine und und und. Im Rucksack frische und lebendige Texte von uns.
Die Mann- und Frauschaft,- wenn wir das so- mit einem Lächeln- sagen wollen, 15 junge
Menschen im Aufbruch, ein Deutsch-Kurs der Kursstufe 12 des Goethe-Gymnasiums in
Leipzig. Wir sind bereit.
Jens Richter