„Nur wer umherschweift, findet neue Wege.“ – Norwegisches Sprichwort
Schon Goethe meinte, „dass das Angenehme am Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt“. Da mich der Dichterfürst schon durch mein Schulleben auf dem Goethe-Gymnasium begleitet hat, dachte ich mir ich könnte mich ja auch für die Zeit nach der Schule von ihm inspirieren lassen. Also entschied ich mich, dass ich nach meinem bestandenen Abitur doch erst mal die Welt sehen wollte, statt nach meinen letzten Sommerferien direkt mit einem Studium oder einer Ausbildung anzufangen. Und so verschlug es mich erst einmal nach Norwegen. Um genauer zu sein nach Hardbakke in die westlichste Kommune Norwegens – die Inselgruppe „Solund“.
Warum ich mich für Solund entschieden habe? Solund ist einfach besonders! Es ist die einzige Kommune die nur aus Inseln besteht – mehr als 1000 Inseln auf gerade einmal 750 Einwohner – rein theoretisch könnte also jeder seine eigene Insel haben. Aber nicht nur das – die Inselgruppe ist multikulturell, was man von so einer kleinen Kommune erst einmal gar nicht erwarten würde. Neben Norwegen sind beispielsweise auch Südafrika, die Ukraine, Madagaskar, Thailand, Syrien, Russland und Deutschland vertreten. Und das sind noch längst nicht alle…
Vereint werden die Nationen hier sowohl im Alltag als auch bei verschiedenen Zusammenkünften. Das sind z.B. der 17. Mai – Nationalfeiertag in Norwegen – oder das „Internationale Café“, zu dem jede bzw. jeder eine Spezialität des eigenen Landes mitbringt. Und das Besondere: alle kommen gut miteinander klar.
Die gleiche Vielfältigkeit die Solund zeigt hatte auch mein Projekt. Die Woche begann mit Outdoor-Arbeit auf der Insel Litle Færøy, zusammen mit meinem Mentor „Roar Mo“. Egal ob Holzhacken, Küste reinigen, Bootshaus aufräumen usw. – der Montag war für mich immer der schönste Tag.
Dienstags ging es für mich dann entweder in den Kindergarten (für insgesamt zwei Monate), den Secondhandshop (gleichzeitig auch Café), die nationale Verleihorganisation „BUA“ oder ins Altersheim „Solundheimen“, um den Senioren mit meinem Klavierspiel Freude zu bereiten J
Am Mittwoch standen dann sowohl Wassergymnastik als auch die „Kulturskulen“ – ein Freizeitangebot für die Jugend – auf dem Plan. Ersteres war für mich erst einmal neu und ungewohnt, machte mir mit der Zeit aber immer mehr Spaß.
Donnerstags gibt es immer das „Tursdags-lunsj“, wo es die Aufgabe der Freiwilligen ist, für die Leute, die ins Café kamen (immer ca. zwanzig) zu kochen. Abgesehen von den typisch norwegischen Waffeln mit Marmelade und Sauerrahm als Dessert haben wir immer neue Rezepte rausgesucht – es wurde also auch beim Kochen nicht langweilig. Auch auf die Bildung der Freiwilligen wurde selbstverständlich geachtet – den Donnerstag beendeten wir immer mit Norwegischunterricht.
Wie ich die Woche begonnen hatte, konnte ich sie auch ausklingen lassen. Also mit einem schönen Tag auf der Insel Gåsvær mit Arbeiten in der Natur, mit Holz und Farbe, mit Schafen oder auch manchmal einfach nur mit Angeln.
Unabhängig vom festgelegten Wochenplan wurde uns von der Gastgeberorganisation, der Solund friviligsentralen, aber noch vieles mehr ermöglicht. Dazu gehörten der Besuch von verschiedenen Festivals und Konzerten, kostenlose Fahrten auf einem echten Segelschiff und die damit verbundene Freiwilligenarbeit der Küstenreinigung, aber auch Skiausflüge mit der örtlichen Schule. Hier konnte ich das erste Mal in meinem Leben Abfahrtski ausprobieren.
Auch Nordlichter habe ich in diesem Jahr erstmalig gesehen – ein einzigartiges und beeindruckendes Erlebnis. Ein besonderes Highlight war für mich zudem der Besuch des norwegischen Kronprinzen, denn wann hat man schon mal die Chance auf ein Foto mit einem Mitglied des Königshauses?!
Auch die Möglichkeit der Freizeitgestaltung war für so eine kleine Gemeinde unglaublich vielfältig. Als Freiwilliger konnte ich kostenlos das Fitnessstudio ebenso wie das Schwimmbad nutzen, die Insel erkunden, zweimal die Woche Fußball spielen, angeln, wo auch immer ich wollte, oder das Klavier in der Kirche bespielen. Und das sind nur die Möglichkeiten, die ich wahrgenommen habe…
Kontakte zu anderen Freiwilligen knüpften wir mit Hilfe eines „On-Arrival-Seminar“ im Kurort Balestrand. Gemeinsam mit den Trainern wurde dort über die Programme, Norwegen allgemein, Probleme und Schwierigkeiten der Freiwilligen sowie Lösungsansätze dafür gesprochen. Gleichzeitig hatten wir aber auch Chancen, uns gegenseitig und Balestrand mit Umgebung besser kennenzulernen. Ein erneuter Austausch fand noch einmal auf einem „Mid-Term-Seminar“ im winterlichen Oslo statt, das, um ehrlich zu sein, leider ein wenig zu kurz war…
Vor mir liegen jetzt noch zwei Wochen im Projekt, die ich noch bestmöglich nutzen und genießen möchte. Rückblickend bin ich dankbar für diese Möglichkeit, die Welt und mich selber besser kennenzulernen. Dafür danke ich zuallererst meinen Eltern, die mich überhaupt erst auf die Idee brachten. Weiterhin danke ich natürlich auch dem Europäischen Solidaritätskorps und damit sowohl meiner Entsendeorganisation, dem FAIRBund e.V., als auch meiner Gastgeberorganisation, der Solund friviligsentralen, die die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt haben und mir somit diese Erfahrung unabhängig von meinen eigenen finanziellen Mitteln oder dem Einkommen meiner Eltern überhaupt erst ermöglicht haben. Ein großes Dankeschön für die Organisation, die Koordination, die Finanzierung und ein spezielles Danke an meine persönlichen Ansprechpartner und Mentoren, welche mir jederzeit zur Seite standen.
Wenn ihr euch für ein Auslandsjahr nach dem Abitur interessiert, kann ich euch für weitere Informationen vor allem die Website des ESK unter https://youth.europa.eu/, als auch die Website https://www.rausvonzuhaus.de/ empfehlen.
von Nicola Dettelmann (Abiturjahrgang 2023)