Der Besuch der alten Dame – im Theater mit dem GK Deutsch

Stellt euch vor: ihr seid unglaublich arm und selbst eure letzten Besitztümer werden euch abgenommen. Doch plötzlich kommt eine alte, extrem reiche Bekannte zu euch und macht euch ein Angebot. Sie will euch viel Geld geben, aber dafür müsst ihr jemanden töten, den ihr gut kennt und der eurer Bekannten einmal ein großes Unrecht angetan hat.

Was würdet ihr tun?

Vor genau dieser Frage stehen auch die Bewohner des Dorfes Güllen in Friedrich Dürrenmatts tragischer Komödie „Der Besuch der alten Dame“.

Zu einer abendlichen Vorstellung eben jenes Stücks, traf sich der Grundkurs Deutsch der Klassenstufe 11 am 17.11.2022 im Schauspielhaus Leipzig. Die Schüler sollten einen ersten Eindruck zu dem Stück sammeln, in Vorbereitung auf dessen Behandlung im Unterricht.


Das Stück, „Der Besuch der alten Dame“ ist eine der bekanntesten tragischen Komödien von Friedrich Dürrenmatt. Es wurde 1955 geschrieben und 1956 in Zürich uraufgeführt. Thematisiert werden darin unter anderem die Begriffe der Gerechtigkeit, des Einflusses von Geld und der Umgang mit Reichtum beziehungsweise Armut.

Das Werk handelt von der Multimilliardärin Claire Zachanassian, die ihr, inzwischen heruntergekommenes und verarmtes Heimatdorf Güllen besucht. Dort unterbreitet sie den Einwohnern ein Angebot: Sie ist bereit eine Milliarde an die Stadt zu spenden, unter der Bedingung, dass die Bewohner den Ladenbesitzer Alfred Ill  töten. Sie rechtfertigt diesen Wunsch mit einer schweren Ungerechtigkeit die ihr vor vielen Jahren durch Ill angetan wurde.

Die Bewohner von Güllen lehnen das Angebot zwar sofort ab und betonen, dass sie es niemals annehmen würde. Doch geht die Dame nicht darauf ein und sagt nur, sie würde warten.

Durch das ausstehende Angebot der Claire Zachanassian und die extrem schlechte finanzielle Lage der Stadt, beginnen die Bewohner des Dorfes mit dem Gedanken zu spielen auf den Vorschlag der Dame einzugehen. Ill wird dadurch immer paranoider und schon bald fragt sich auch der Zuschauer, ob Ills Besorgnis nicht doch begründet ist.

Die Aufführung, die wir besucht haben, wurde im Leipziger Schauspielhaus gezeigt und dauerte ungefähr 2 Stunden. Schon direkt zu Beginn des Stücks bekam der Zuschauer den Eindruck vermittelt, dass die historische Einbettung der Handlung modernisiert wurde. Denn er wurde direkt mit mehreren Bildschirmen konfrontiert, einige kleinere über der Bühne und ein weiterer über der gesamten hinteren Bühnenwand. Darauf wurde zum Beispiel gezeigt, wie die Figuren in einer Videokonferenz miteinander sprachen, oder es wurden thematisch passende Bilder und Videosequenzen abgespielt.

Weiterhin bestand das Bühnenbild größtenteils aus durchsichtigen Platten, die sowohl die Bühne in mehrere Räume teilte, als auch die Zuschauer von den Schauspielern trennten.

Auch wurde viel mit Nebel, Musik und unterschiedlich gefärbten Licht gearbeitet. Besonders auffällig waren dabei die Zeitpunkte, die mit einem Bühnenbildwechsel einhergingen. In einem solchen Moment wurde das normale Licht ausgeschalten und mit einem roten Licht im Zuschauerbereich ersetzt. Zusätzlich setzte dazu immer unerwartet und in hoher Lautstärke, ein äußerst lebhaftes Lied ein. Das sorgte im Publikum oft für einen kurzen Schreckmoment.

Der in die heutige Zeit versetzte Charakter des Stücks, zeigte sich auch deutlich in den Kostümen der Figuren. Alle Schauspieler trugen moderne, farbenfrohe Kleidung, unnatürlich wirkendes Make-Up und teilweise ungewöhnliche Haarfarben. Dadurch wurde der abstrakte Charakter der Komödie weiter unterstrichen.

Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt Regie: Nuran David Calis Regie: Nuran David Calis Bühne: Irina Schicketanz Kostüme: Johanna Stenzel Musik: Vivan Bhatti Video: Doreen Schuster, Kai Schadeberg, Fabian Polinski Dramaturgie: Benjamin Große Licht: Jörn Langkabel Auf dem Bild: Bettina Schmidt, Roman Kanonik Foto: Rolf Arnold Honorarfrei


Die Kleidung der Figuren veränderte sich allerdings während des Stückes und passte sich der geistigen Verfassung der Figur an. Am deutlichsten war das an Alfred Ill zu sehen, der im Laufe des Geschehens durch mehrere intensive Gefühlslagen lief und dessen Kostüm sich dementsprechend immer mehr zum Negativen veränderte.

Inhaltlich hält sich Stück sehr nah am Original, so dass der Text wurde fast Wort für Wort übereinstimmt.

Insgesamt kann also gesagt werden, dass die tragische Komödie in der Vorstellung im Schauspielhaus zwar visuell abstrahiert wurde, aber die inhaltliche Darstellung nahezu unberührt geblieben ist.

Durch die vielen Farben und den vermehrten Einsatz von Bildschirmen, die unabhängig voneinander Informationen ausgegeben haben, kam es jedoch zu einer Reizüberflutung beim Zuschauer. Teilweise entstand Verwirrung, durch die Frage, welche der Informationsquellen zu der Zeit die Wichtigste war. Es gelang dem Stück jedoch durch den gezielten Einsatz von Licht und lebhafter Musik die Aufmerksamkeit des Zuschauers immer wieder zum wichtigsten Geschehen zu lenken.


Ich persönlich habe den Theaterbesuch als sehr ereignisreich empfunden und würde die Vorstellung an jeden weiterempfehlen der sich für eine solche Art des Dramas interessiert. Man sollte allerdings ein gewisses Durchhaltevermögen mitbringen und Toleranz gegenüber flackernden Lichtern und plötzlich einsetzender, lauter Musik besitzen.

Man versteht, wegen der Nähe des Stückes zum Original, auch ohne Vorwissen um was es geht und muss das Original folglich nicht zwingend kennen.

Im Weiteren regt das Stück auch durchaus zu Nachdenken und Diskutieren an. Man überlegt automatisch wie man selbst wohl in einer solchen Situation gehandelt hätte und wie der Ausgang des Stückes hätte vermieden werden können.

Schlussendlich kann ich aber nur sagen: wenn ihr euch für diese Art von Theater interessiert, geht hin. Es lohnt sich.


Text: Lucianne K.

Quelle: https://www.schauspiel-leipzig.de/spielplan/monatsplan/2020-12/der-besuch-der-alten-dame/1592/

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Author: Hr. Hartung